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4 1 / 2024 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

„ Alle Arbeiten in den Blick nehmen “

Leopoldina-Mitglied Jutta Allmendinger zur Stellungnahme „ Zukunft der Arbeit “
Grafik : ma _ rish | iStock
„ Zukunft der Arbeit “ heißt die interakademische Stellungnahme , die Anfang 2024 veröffentlicht wurde . Anliegen ist es , den Begriff der Arbeit
Jutta Allmendinger . weit zu fassen und unterschiedlichste Formen menschlicher Tätigkeit und deren Zusammenspiel in den Blick zu nehmen . Dazu ein Gespräch mit Jutta Allmendinger ML , Sprecherin der gleichnamigen Arbeitsgruppe .
Foto : David Ausserhofer | WZB
In der Stellungnahme heißt es : Wir müssen weg von einer Arbeitsgesellschaft hin zu einer Tätigkeitsgesellschaft , die auch Sorgearbeit , politische und gesellschaftliche Arbeit umfasst . Ist das Leben dann nur noch Arbeit ? Jutta Allmendinger : Wir empfehlen , alle für die Gesellschaft notwendigen
Arbeiten in den Blick zu nehmen – und sich nicht ausschließlich auf Erwerbsarbeit zu fixieren . Unsere Herangehensweise ist nicht neu : Wir zeigen , dass sich der Arbeitsbegriff über die Jahrzehnte hinweg verengt hat und sich auf bezahlte Erwerbstätigkeit und damit meist auf Männer als Ernährer konzentriert . Damit werden viele Tätigkeiten , die überwiegend von Frauen geleistet werden , wie Kindererziehung , Pflege von Eltern , zivilgesellschaftliches Engagement , verdeckt oder gar ignoriert . Dabei ist die bezahlte Erwerbstätigkeit ohne die vielen anderen Tätigkeiten nicht denkbar .
Gleiches gilt umgekehrt : Die unbezahlten Tätigkeiten bedürfen der bezahlten Erwerbstätigkeit . Dahinter steht auch ein verteilungspolitisches Argument : Mit der zunehmenden Erwerbstätigkeit der Frau muss umgekehrt auch die unbezahlte Arbeit von Männern zunehmen .
„ Ungleichheit verhindern und Wohlstand sichern “, das Ziel zieht sich durch die Stellungnahme . Im Kapitel „ Digitaler Wandel “ geht es auch um Homeoffice als
Möglichkeit für flexibles , selbstbestimmtes Arbeiten . Jetzt können ja nicht alle Berufe ins Homeoffice … Allmendinger : In der Tat hat sich durch das Homeoffice eine neue Achse sozialer Ungleichheit aufgetan . Diese gilt es zu beachten und den Unmut jener zu verstehen , die diese Freiheitsgrade nicht haben . Beispielsweise die Stadtreinigung . Mülltonnen können nicht im Homeoffice geleert werden . Zugleich dürfen wir die Frage nicht in schwarz-weiße Farben tauchen . Nicht alle haben einen ruhigen Arbeitsort zu Hause . Und gerade Mütter müssen ihre Erwerbsarbeit oft unterbrechen , wenn die Kinder nach Hause kommen .
Aus diesen und vielen anderen Gründen gehen wir daher auch zentral auf die gebaute Umwelt ein und auf „ dritte Orte “. Menschen brauchen das Miteinander , die Erwerbsarbeit als Ort der Begegnung .
Nochmal zu den Müllwerkern . Was haben die von Ihrer Zukunftsvision ? Allmendinger : Viel . Ihre Arbeiten sind körperlich extrem belastend . Das sehen wir im Übrigen auch in sehr vielen an-