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nen auch auf wiedervernässten Moorböden Landwirtschaft und Forstwirtschaft betreiben , wir können dort erneuerbare Energien durch Photovoltaik erzeugen und ebenso Baumaterialien produzieren .
Und wir haben mit der Ernährung einen Schlüssel . Fleischkonsum bindet überproportional mehr Flächen in der Landnutzung als eine eher pflanzenbasierte Ernährung . Wichtig ist dabei , Beschwerdestellen zu haben , wenn Menschen das Gefühl haben , sie werden schlechter gestellt durch die Maßnahmen .
Ein gesellschaftlicher Wandel ist nötig , heißt es in der Stellungnahme . Was muss jetzt passieren ? Tockner : Wir verfolgen einen systemischen Ansatz und betrachten Klima- und Biodiversitätsschutz gemeinsam . Wir berücksichtigen zudem den Wasserhaushalt , verschiedene Nutzungsoptionen , aber auch rechtliche Aspekte . Zum Schutz von Natur und
Mensch sind vermehrt hybride Lösungen nötig , die die Leistungen technischer und natürlicher Systeme klug verknüpfen . Höchste Priorität hat der Schutz der noch vorhandenen frei fließenden Gewässer . Wir können nicht große Ziele für die Renaturierung setzen und sind zugleich nicht in der Lage , die letzten naturnahen Flussabschnitte , wie etwa die Obere Isar , langfristig zu erhalten . Tanneberger : Ganz zentral ist eine Beschleunigung der Verfahren . Immer weiter aufschieben , ist keine gute Strategie . Wir haben das für die Moore in Mecklenburg-Vorpommern durchgerechnet . Mit der momentanen Geschwindigkeit brauchen wir noch 180 Jahre für die Vernässung . So lange können wir so hohe CO2-Emissionen nicht tolerieren . Und bevor wir technische Lösungen für die Klimakrise einsetzen , die zum Teil stark gepusht werden , sollten wir uns darauf besinnen , was unsere Ökosysteme selbst leisten können , wenn wir sie lassen .
Was auffällt : Es geht viel um Partizipation und Kommunikationsformen … Tanneberger : Ja , wir können diesen Paradigmenwechsel nicht nur durch Zahlen erreichen . Wir müssen auch anders darüber reden , um einen anderen Umgang mit Natur und Umwelt zu finden . Es hat auch viel damit zu tun , welche Wahrnehmung von Landschaft neue Generationen haben . Dass wir wieder Bilder in den Kopf bekommen , wie nasse Landschaften aussehen können und Wasser in unserer Landschaft dazu gehört .
Tockner : Wir brauchen positive Rollenmodelle , die ohne
Schönfärberei auskommen . Die Wissenschaft kann sehr gute Lösungsoptionen entwickeln , aber die „ Silver Bullet “ – eine einfache Lösung für ein hochkomplexes Problem – gibt es nicht . Dennoch sollte Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt Vorbild und Vorreiter sein . Wir haben die Verantwortung , den kommenden Generationen eine lebenswerte Natur zu überlassen .
■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTINE WERNER
Stellungnahme „ Klima – Wasserhaushalt – Biodiversität “
CROSSING BOUNDARIES IN SCIENCE : THE ANTHROPOCENE
Die Leopoldina-Mitglieder Thomas Lengauer ML und Jürgen Renn ML gehörten zum Planungskomitee für die Eröffnungskonferenz „ The Anthropocene : addressing its challenges for humanity “ des neuen Max-Planck-Instituts ( MPI ) für Geoanthropologie vom 24 . bis 26 . Juni in Jena . Die Tagung wurde im Rahmen der Reihe „ Crossing Boundaries in Science “ gemeinsam mit der Leopoldina realisiert .
Deren inhaltlicher Ausgangspunkt war ein doppelter : Zum einen erreicht der Einfluss des Menschen auf das Erdsystem allmählich eine Größenordnung , die die Zukunft der Menschheit auf der Erde zu gefährden droht . Zum anderen tut sich die Menschheit seit geraumer Zeit schwer damit , diese globale Bedrohung anzuerkennen . Weltweit beschäftigen sich Forschende aller Disziplinen mit dieser Herausforderung und dem Konzept , das im Mittelpunkt steht : dem Anthropozän . „ Wir erforschen unter anderem die hochkomplexen Ursachen und Prozesse des Anthropozäns und können damit dazu beitragen , negative Folgen abzumildern oder gar zu vermeiden “, ordnet Jürgen Renn , Direktor am MPI für Geoanthropologie , ein .
Ziel soll es sein , die globalen Veränderungen besser zu verstehen und Entscheidungen zu treffen , die eine lebenswerte Umwelt auf unserem Planeten erhalten . Dabei scheint die Erkenntnis über die relevanten Vorgänge in der Natur weiter zu sein als die angemessene Einordnung und Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen . Das Problem ist also mindestens ebenso ein psychologisches , soziales , wirtschaftliches und politisches wie ein naturwissenschaftliches . „ Die Konferenz hat anschaulich gezeigt , wie dringend wir uns diesen Fragen widmen müssen und dass Lösungswege nur durch die enge Zusammenarbeit zahlreicher Wissenschaftsdisziplinen gefunden werden können “, so Leopoldina-Präsidiumsmitglied Thomas Lengauer . ■ JF
Crossing Boundaries in Science 2024