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6 1 / 2023 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

Archäologisches Kulturerbe „ Die rechtlichen Ebenen sind kompliziert “

Leopoldina-Mitglied Hermann Parzinger zu Aktivitäten und Ergebnissen der Arbeitsgruppe
Zwei neue Diskussionspapiere hat die Arbeitsgruppe „ Archäologisches Kulturerbe “ veröffentlicht . Zu diesen und zu kommenden Aktivitäten äußert sich Hermann Parzinger ML , Archäologe und Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz .
Wie entstand eigentlich die Arbeitsgruppe , und aus welchen Fachgebieten kommen die Mitglieder ? Hermann Parzinger : Als die Arbeitsgruppe eingerichtet wurde , standen wir alle unter dem Eindruck islamistisch motivierter Kulturzerstörungen im Nahen Osten oder auch in Mali . Wir wollten uns in dieser Situation auf das archäologische Kulturerbe fokussieren , dabei aber möglichst viele Facetten des Themas beleuchten . Natürlich sind deshalb die meisten Mitglieder der Arbeitsgruppe Archäologen und Altertumswissenschaftlerinnen , aber es sind auch Juristen und Völkerrechtlerinnen dabei , denn diese Dimension spielt dabei immer eine Rolle . Dazu kommen Kulturerbe-Fachleute , und für einzelne Themen haben wir auch Autoren und Autorinnen hinzugezogen , die nicht ständige Mitglieder waren .
Auf welchem Weg hat die Arbeitsgruppe zu den Themen gefunden , die sie bearbeiten wollte ? Parzinger : Die Kerngruppe , die zu Beginn aus Altertumswissenschaftlern und einer Juristin bestand , hat sich zusammengesetzt und recht schnell die entscheidenden Fragestellungen definiert . Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Denkmalpflege hier in Deutschland und des Deutschen Archäologischen Instituts mit seiner Auslandsperspektive waren wir uns bald einig , welche Themenfelder wir vordringlich angehen sollten – von der Notfallvorsorge über Raubgrabungen und illegalen
In Nord- und Ostsee liegen archäologische Fundstätten wie das Wrack des 1715 nahe Kiel gesunkenen schwedischen Kriegsschiffs „ Prinsessan Hedvig Sophia “. Wie sich diese Kulturgüter schützen lassen , war ein Thema für die Leopoldina-Arbeitsgruppe .
Foto : Gerhard Lorenz , Wendtorf , und F . Wilkes | Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung
Antikenhandel bis hin zur Rolle der sogenannten Kleinen Fächer , deren Expertise für Fragen des Kulturerhalts unabdingbar ist . Dann haben sich die Themen organisch weiterentwickelt und auch geweitet , etwa bei der Unterwasserarchäologie in Nord- und Ostsee , so dass ein Diskussionspapier daraus entstanden ist .
Das Diskussionspapier „ Spuren unter Wasser “ aus dem Jahr 2019 hat nicht nur unter Fachleuten , sondern auch in den Medien Resonanz gefunden . Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Anstöße des Papiers ? Parzinger : Entscheidend ist , dass diese Publikation wirklich auf die Bedeutung des kulturellen Erbes unter Wasser hinweist . Es geht dabei um ganze Siedlungslandschaften aus dem Mesolithikum , die durch Meeresspiegelschwankungen sowie Landhebungen und -senkungen heute versunken sind und gar nicht so weit von der Küste entfernt liegen , aber auch um Schiffswracks vom Mittelalter bis zu den letzten beiden Weltkriegen , die entsprechend geschützt sein müssen und nicht geplündert werden dürfen . Es stellt sich unter anderem die Frage , wie man damit in der „ Ausschließlichen Wirtschaftszone “ ( AWZ ) jenseits des Küstenmeeres umgeht : Wie kann man die Kulturgüter schützen , etwa bei der Anlage von Offshore-Windparks , aber auch vor Raubgrabungen . Wie kann man die archäologische Forschung unter Wasser stärken , auch in Zusammenarbeit mit Anrainer-Staaten . Wie kann man sie mit der meereswissenschaftlichen Forschung verbinden ? Und wie kann man Regelungen besser nutzen , etwa die UNESCO- Konvention zum Schutz des Unterwasser- Kulturerbes von 2001 , die Deutschland immer noch nicht ratifiziert hat ? Auf dieses Feld wollten wir mit unseren Vorschlägen die Aufmerksamkeit lenken .