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6 1 / 2022 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

Übergang in ein neues , klimaneutrales Wirtschafts- und Sozialsystem

Forschungsgipfel am 4 . Mai thematisiert „ Innovationspolitik für globale Herausforderungen “
So verheerend die Coronavirus-Pandemie in ihren Auswirkungen war und ist , so profund hat sie Politik , Wirtschaft , Wissenschaft und viele andere Akteurinnen und Akteure in der Gesellschaft dafür sensibilisiert , wie fragil das globale Gefüge ist und wie abhängig wir Menschen von unserer natürlichen Umwelt sind . Deshalb ist es nur konsequent , wenn der nächste Forschungsgipfel im Mai die großen globalen Herausforderungen in den Kontext der Innovationspolitik rückt . Neben der Coronavirus-Pandemie sei hier beispielhaft der anthropogene Klimawandel genannt .
VON GEORG SCHÜTTE *
„ Mir ist wichtig , dass die Diskussionen beim Forschungsgipfel sich nicht auf technologische Potenziale beschränken , sondern auch die sozialen Folgen in den Blick nehmen .“
Georg Schütte Generalsekretär der VolkswagenStiftung
Foto : Philip Bartz | VolkswagenStiftung

Die Frage , vor der wir aktuell stehen , lautet : Wie lassen sich kluge Ideen und finanzielle Mittel , die der Krisenbewältigung dienen , so einsetzen , dass sie nicht nur zur Stabilisierung des etablierten und in Teilen auch überkommenen Wirtschaftssystems dienen , sondern helfen , dieses mit mutigen Innovationen zukunftsfähiger gestalten ? Lässt sich die gegenwärtige Krise also auch als eine Chance nutzen , um mit neuen Technologien und veränderten Konsummustern resilienter gegenüber künftigen Krisen zu werden ?

Ich bin sicher , der Übergang in ein neues , klimaneutrales Wirtschaftssystem wird viele Debatten beim Forschungsgipfel dominieren . Mir persönlich ist dabei wichtig , dass die Diskussionen sich nicht auf technologische Potenziale beschränken , sondern auch die sozialen Folgen in den Blick nehmen . Denn eines ist gewiss : Wenn klimaschädliche Industrien gezielt transformiert werden , wird das nicht nur die Arbeitswelt verändern . Es wird auch traditionelle Arbeitsplätze kosten und neue entstehen lassen .
Wie aber verhindern wir , dass der wirtschaftliche und technologische Wandel ein Auseinanderdriften verschiedener gesellschaftlicher Gruppen befördert ? Wir müssen deshalb beim Forschungsgipfel auch darüber sprechen , wie Wirtschaft und Staat ihrer Fürsorgepflicht nachkommen wollen . Wie also werden jene aufgefangen , die in unausweichlichen Transformationsprozessen verunsichert sind , die ökonomische und soziale Nachteile erleiden ?
Diese Fragen sind nicht neu . Aber sie geraten pointiert in den Blick , wenn sie im Rahmen des Forschungsgipfels diskutiert werden . Denn man muss lange suchen , um eine Veranstaltung zu finden , auf der sich Jahr für Jahr eine vergleichbare Zahl von hochkarätigen Entscheiderinnen und Entscheidern aus Politik , Wirtschaft , Wissenschaft und anderen Bereichen der Gesellschaft zum Dialog treffen . Und dabei beschränkt sich der Austausch , das weiß ich aus eigener langjähriger Teilnahme , nicht auf Self-Marketing . Nein , immer schon war der Forschungsgipfel ein Ort der Kontroverse , wo beispielsweise Forschende den CEOs großer Konzerne widersprachen – und letztere sich dankbar für die neuen Impulse zeigten .
Jeder Forschungsgipfel birgt also die
Chance , die Agenda der Innovationspolitik in Deutschland zu beeinflussen . Die regelmäßige Teilnahme von Mitgliedern der Bundesregierung und Führungspersonen aus der EU-Kommission unterstreicht die Bedeutung dieses Plenums . 2021 war es die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst , die die Gäste des Forschungsgipfels adressierte : „ Wenn wir uns mit unserem europäischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell , mit unseren Vorstellungen von Nachhaltigkeit und lebenswerter Zukunft behaupten wollen , dann müssen wir innovativer und produktiver als andere Teile der Welt sein und in vielem auch schneller werden .“ Es ist dieser Wirkungsanspruch , mit dem wir uns am 4 . Mai zum nächsten Forschungsgipfel treffen werden .
* Dr . Georg Schütte ist Generalsekretär der VolkswagenStiftung . Zuvor war er von 2013 bis 2018 Mitglied in deren Kuratorium und von 2009 bis 2019 Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung .
Forschungsgipfel 2022