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Das sind positive Effekte der KI, im September wird es aber auch um möglicherweise negative gesellschaftliche Folgen gehen. Treffen da zwei unterschiedliche Positionen aufeinander? Lengauer: Wir haben es hier überhaupt nicht mit zwei Lagern zu tun. Aus meiner Sicht ist das Zeitalter der Technologie- Happiness lange vorbei. Wir sind alle der Meinung, dass KI eine unglaublich scharfe Waffe ist, die auch sehr scharf missbraucht werden kann. Insofern besteht der Bedarf, auch diese Seite der Medaille abzubilden. Ich kann mich hinter jeden Vortrag, der auf dieser Tagung gehalten wird, persönlich stellen. Müller: In der Leopoldina ist es eigentlich immer ein Miteinander, kein Gegeneinander. Ein konstruktives Miteinander, bei dem man versucht, Dinge in ihrer wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Tiefe einzuordnen und zu einer gemeinsamen Position zu kommen.
Die technische Entwicklung in der KI verläuft im Moment sehr rasant. Inwieweit ist eine Institution wie die Leopoldina agil genug, um auf diese Prozesse zu reagieren? Müller: Die Frage ist ja: Muss die Politik oder muss eine Akademie dasselbe Tempo haben wie die Tech-Firmen? Es geht ja um Reflexion und um grundsätzliche Gedanken. Und die werden nicht besser, wenn sie schnell sind. Lengauer: Die Leopoldina steht definitiv im Spannungsfeld zwischen Tiefe der Analyse und Schnelligkeit der Reaktion. Das ist besonders deutlich geworden in der Coronavirus-Pandemie, als die Leopoldina zum ersten Mal ein agiles Format umfassend eingesetzt hat, die Ad-hoc- Stellungnahmen. Das lag aber auch am unfassbar großen akuten Druck. Trotz aller Warnungen und der bedrohlichen Szenarien bin ich nicht der Meinung, dass wir beim Thema KI heute unter einem so starken Zeitdruck stehen.
Aber zum Beispiel war die europäische KI-Verordnung fast fertig, als ChatGPT herauskam. Und dann musste sie noch einmal überarbeitet werden, um auf die neuen Techniken anwendbar zu sein...
JAHRESVERSAMMLUNG „ KÜNSTLICHE INTELLIGENZ“
Die wissenschaftliche Koordination der Jahresversammlung 2025 haben die beiden Leopoldina-Mitglieder Thomas Lengauer ML( li) und Klaus-Robert Müller ML( re) übernommen. Sowohl der Mathematiker und Bioinformatiker als auch der Physiker und Informatiker gehören der Sektion Informationswissenschaften an. Dabei übernimmt Thomas Lengauer, seit 2018 emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik Saarbrücken, zum dritten Mal die Organisation der Jahrestagung. Klaus-Robert Müller, seit 2020 Co-Direktor des Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data( BIFOLD), nimmt diese Aufgabe erstmals wahr.
Fotos: Christof Rieken | Leopoldina, BIFOLD
Müller: Für mich ist das wie in der Computersicherheit: Wenn jemand behaupten würde, er hätte dieses Problem ein für alle Mal gelöst – den würde man auslachen. Das ist ein Prozess, man muss sich immer den neuen Gegebenheiten anpassen.
Die neue US-amerikanische Regierung hat ja unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie der KI keinerlei Schranken setzen will. Müller: Man ist immer ein bisschen versucht, den Akademien-Blickpunkt gegen einen Industrie-Blickpunkt zu stellen. Aber auch in der Industrie gibt es viele Menschen, die ethische Grundsätze haben und die wollen, dass ihre Produkte sicher sind.
Sie arbeiten an Gehirn-Computer- Schnittstellen, Herr Müller. Werden wir bald unsere Intelligenz direkt mit der KI verbinden können? Müller: Ganz sicher nicht. Wir arbeiten
noch immer nichtinvasiv, und so bald wird man da nichts zusammenstöpseln. Es gibt zum Beispiel Umfragen unter Patienten mit Amyotrophe Lateralsklerose ALS, ob die sich vorstellen könnten, Implantate zur Kommunikation zu nutzen. Und die sagen: Das Gehirn ist das letzte funktionsfähige Organ, das ich habe – also bitte stellt damit nichts an!
Wie läuft Ihre Zusammenarbeit in der Vorbereitung der Jahresversammlung, auch mit der Leopoldina? Lengauer: Wir sind gut in der Spur. Wir beide haben eine kurze Leitung und besprechen uns regelmäßig, wir reagieren auch schnell auf Probleme, mit großartiger Unterstützung der Leopoldina und der Geschäftsstelle. Das Programm steht!
■ DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTOPH DRÖSSER
Jahresversammlung