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4 2 / 2025 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

„ Zwischen Tiefe der Analyse und Schnelligkeit der Reaktion“

Leopoldina-Mitglieder Thomas Lengauer und Klaus-Robert Müller koordinieren Jahresversammlung
In den letzten Jahren wurden im Bereich Künstliche Intelligenz erhebliche Fortschritte in Forschung und Entwicklung gemacht. Die Jahresversammlung widmet sich diesen Entwicklungen und deren Konsequenzen mit Beiträgen aus allen vier Klassen der Leopoldina.
Foto: Siarhei | AdobeStock
Künstliche Intelligenz( KI) hat in kürzester Zeit viele neue Möglichkeiten geschaffen und zugleich ebenso viele neue Fragen aufgeworfen. Die diesjährige Jahresversammlung vom 25. bis 26. September in Halle( Saale) greift diese Entwicklung auf. Einen Einblick in das Thema und die Vorbereitung geben die beiden wissenschaftlichen Koordinatoren, die Leopoldina-Mitgieder Thomas Lengauer und Klaus-Robert Müller.
Wie sind Sie dazu gekommen, Künstliche Intelligenz als Thema für die Jahresversammlung der Leopoldina zu wählen? Thomas Lengauer: Für mich ist es die dritte Jahrestagung, die ich organisiere. Im Jahr 2009 ging es um Computermodelle in der Wissenschaft, 2019 hatten wir das Thema „ Zeit in Natur und Kultur“, das war und ist für mich eine
Grundlagenfrage aller Wissenschaften.
Diesmal kam der Impuls für mich durch zwei technische Entwicklungen: das Sprachmodell ChatGPT und die Lösung der Proteinstrukturvorhersage mit dem Algorithmus AlphaFold. An dem Protein-Problem habe ich selbst früher gearbeitet – und ich hätte noch Monate vor AlphaFold nicht gedacht, dass ich die Lösung noch erleben würde. Das sind keine kontinuierlichen Entwicklungen, da entsteht etwas ganz Neues, und wir verstehen bis heute nicht wirklich, wie das passiert. Wir mussten niemanden in der Leopoldina überzeugen, dass diese Durchbrüche wichtig sind, wir haben da offene Türen eingerannt. Und darüber hinaus ist die KI natürlich auch in der Gesellschaft in aller Munde. Klaus-Robert Müller: Für mich war einer der wichtigen Durchbrüche, dass KI-Modelle, die auf großen Datenmengen beruhen, jetzt zum Beispiel in der Quantenchemie oder auch in der Mathematik neues Wissen schaffen können. Das System lernt etwas, was man vorher noch nicht gewusst hat. Und mit Techniken wie Explainable AI kann man dem System regelrecht beim Lernen zusehen.
Ist das die Demütigung des Menschen durch die KI? Müller: Ganz und gar nicht. Das sind unterstützende Tools. Der Mathematiker kann damit noch tollere Beweise finden, die Medizinerin wird in ihrer Routinediagnostik entlastet und kann auch bei seltenen Krankheiten bessere Entscheidungen treffen, wenn so ein KI-Tool sozusagen mit am Tisch sitzt.