Leopoldina aktuell 4_2021 | Page 12

12 4 / 2021 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

„ Hoher Bedarf an verständlichen wissenschaftlichen Ergebnissen “

Leopoldina-Vizepräsidentin Regina T . Riphahn über eine Befragung im Bundestag zur Nutzung von Evidenz
Im Unterschied zu anderen Ländern gibt es in Deutschland kaum Erhebungen dazu , welche Arten wissenschaftlicher Expertise Mitglieder des Bundestags nutzen und auf welche Weise sie dabei vorgehen . Internationale Erfahrungen zeigen , dass solche Informationen wichtig sind , um den Dialog zwischen Wissenschaft und Politik zu verbessern . Um diese Wissenslücke zu füllen , wurde unter dem Dach der Leopoldina-Evidenzinitiative eine Befragung von Mitgliedern des Deutschen Bundestags und ihren Mitarbeitenden in Auftrag gegeben . Die Ergebnisse liegen jetzt vor .
VON REGINA T . RIPHAHN ML *
Regina T . Riphahn ML
Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist Professorin für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg . Ihre Forschungsschwerpunkte sind Sozialpolitik , Arbeitsmarktforschung sowie Bevölkerungsökonomik . Regina T . Riphahn ist seit 2017 Vizepräsidentin der Leopoldina .
Foto : Markus Scholz | Leopoldina
men Zugang zu Informationsquellen und Nutzungsintensität wissenschaftlicher Evidenz ; Anlässe und Arbeitsbereiche , in denen wissenschaftliche Evidenz zum Einsatz kommt ; genutzte Darstellungsarten wissenschaftlicher Evidenz ; Stellenwert wissenschaftlicher Evidenz sowie Erwartungen an die Wissenschaft .
Dank intensiver Vorbereitung und breiter Unterstützung auch aus dem Bundestag heraus wurde mit 20 Prozent ein guter Befragungsrücklauf ohne wesentliche Abweichungen von den Merkmalen der Grundgesamtheit erreicht . Das Diskussionspapier „ Nutzen von wissenschaftlicher Evidenz – Erwartungen an wissenschaftliche Expertise “ beschreibt die Befunde im Detail .
Zu den zentralen Schlussfolgerungen gehören folgende Aussagen : Unter

Mit ihrer Evidenzinitiative verfolgt die Leopoldina das Ziel , die wissenschaftsbasierte Begründung politischen Gestaltens zu stärken . Um die Nutzung wissenschaftlicher Evidenz in der politischen Diskussion besser zu verstehen , ist es notwendig zu erfassen , wie Informationen aufgenommen und bewertet werden . Die Befragung der Mitglieder des Deutschen Bundestags soll die Bedeutung wissenschaftlicher Evidenz im politischen Entscheidungsprozess transparenter machen . Gleichzeitig zielt das Vorhaben darauf ab , Potenziale zu identifizieren , um den Informationsbedarfen von Mitgliedern des Parlaments besser gerecht zu werden und die Kommunikation im Beratungsprozess zu professionalisieren .

Die Studie wurde vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik ( ISG ) zu Beginn des Jahres 2021 im Auftrag der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina durchgeführt . Die 709 Mitglieder des Bundestags der 19 . Legislaturperiode von 2017 bis 2021 und ihre Mitarbeitenden wurden in einem Zeitraum von fünf Wochen befragt . Im Vordergrund standen die Theden Befragten gibt es ein relativ hohes Vertrauen in mit wissenschaftlichen Methoden gewonnene Erkenntnisse . Dies erklärt auch den relativ hohen Stellenwert wissenschaftlicher Erkenntnisse im Vergleich zu anderen Quellen sowie die Einschätzung , dass wissenschaftliche Erkenntnisse bestenfalls in ausreichendem Umfang im politischen Entscheidungsprozess berücksichtigt werden . Auffällig ist allerdings , dass der Stellenwert wissenschaftlicher Erkenntnisse mit zunehmender Dauer der Tätigkeit im Bundestag abnimmt .
Es existiert ein hoher Bedarf an verständlich und komprimiert aufbereiteten wissenschaftlichen Ergebnissen . Die Befragten sehen sich gut in der Lage , die Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse einzuschätzen . Das Heranziehen wissenschaftlicher Erkenntnisse wird durch Zeitmangel und die fehlende konkrete Nutzbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse erschwert .
Die Befragungsergebnisse unterscheiden sich leicht nach Geschlecht und Fraktionszugehörigkeit der Befragten . Um wissenschaftliche Erkenntnisse nutzbar zu machen , sollten sie kurz und allgemeinverständlich aufbereitet werden . Es ist hilfreich , wenn konkrete , realitätsnahe Handlungsempfehlungen präsentiert werden . Auch ein Fokus auf die wissenschaftlichen Mitarbeitenden der Bundestagsmitglieder könnte nützlich sein . Die Ergebnisse der Befragung sollen im Rahmen eines Workshops bekannt gemacht und vertiefend diskutiert werden .
* Regina T . Riphahn ist Wirtschaftswissenschaftlerin und vertritt die Evidenzinitiative .
Diskussionspapier „ Nutzen von wissenschaftlicher Evidenz “