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4 3 / 2021 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

„ Klimawandel und Biodiversität sind untrennbar verbunden “

Leopoldina-Mitglieder Katrin Böhning-Gaese und Joachim von Braun zur Jahresversammlung 2021
Biodiversität ist das zentrale Thema der diesjährigen Leopoldina- Jahresversammlung . In den Vorträgen geht es unter anderem um den Schutz der Artenvielfalt und die Rolle des Menschen in der Natur .
Foto : Karoline Thalhofer | Adobe Stock
Die Jahresversammlung der Leopoldina am 24 . und 25 . September stellt ein wichtiges Thema in den Mittelpunkt : „ Biodiversität und die Zukunft der Vielfalt “. Zu den Vortragenden gehören die Biologin Katrin Böhning-Gaese ML und der Agrarökonom Joachim von Braun ML . Im Interview erläutern sie die Lage und den Handlungsbedarf .
Frau Böhning-Gaese , in Ihrem Vortrag geht es um die Biodiversität im Anthropozän . Hat es die Natur jemals so schwer gehabt wie heute ? Katrin Böhning-Gaese : Das Ausmaß , in dem die Artenvielfalt zurzeit bedroht ist , gab es in der Geschichte der Menschheit noch nicht – und in der gesamten Erdgeschichte nur selten . Dem Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES zufolge sind von den schätzungsweise acht Millionen Arten , die es auf der Erde gibt , eine Million vom Aussterben bedroht .
Die Aussterberaten haben sich stark erhöht . Wir stehen am Beginn des sechsten großen Massenaussterbens . Das letzte Ereignis dieser Art war das Ende der Dinosaurier . Wir müssen uns sofort und intensiv um dieses Problem kümmern .
Herr von Braun , die Weltbevölkerung wächst auf bald neun oder zehn Milliarden Menschen . Lassen sich alle ernähren , ohne die Natur auszubeuten ? Joachim von Braun : Gesunde Ernährung für alle ist derzeit nicht gesichert . Für ausreichende Ernährung und zugleich Schutz der Biodiversität brauchen wir ein produktives , nachhaltiges Ernährungssystem , das die Naturlandschaften nicht so in Anspruch nimmt wie zurzeit . Ein Schlüsselthema ist die Abkehr von großflächigen Monokulturen . Dabei kann Agrarforschung und vielleicht auch innovative Feldrobotik helfen .
Wie groß ist die Rolle der Landwirtschaft beim Artenrückgang ? Böhning-Gaese : Hauptursache des Rückgangs ist die veränderte Landnutzung , an zweiter Stelle steht die Ausbeutung von Arten , an dritter der Klimawandel . Veränderte Landnutzung hat viel mit Landwirtschaft zu tun – etwa wenn dafür Wald gerodet oder der Anbau intensiviert wird . Und auch bei der Ausbeutung von Arten ist die Ernährung im Spiel , etwa beim Fischfang .
Muss also vor allem das Agrarsystem verändert werden ? Böhning-Gaese : Hierzulande ist der Artenschwund in der Agrarlandschaft besonders gravierend . In der Akademie- Stellungnahme von Oktober 2020 zur Biodiversität von Agrarlandschaften plädieren wir im Hinblick auf Agrarökosysteme für einen grundlegenden gesamt-