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4 1 / 2022 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER

„ Wir müssen ein gutes Verhältnis zur Natur gewinnen “

Leopoldina-Mitglieder Antje Boetius und Thomas Mettenleiter über die G7-Themensetzung
Grafik : Sisters of Design
Die Wissenschaftsakademien der G7- Staaten tragen zur Agenda des Treffens der Staats- und Regierungschefs bei – in diesem Jahr unter Federführung der Leopoldina . Im Science7-Prozess erarbeiten sie Stellungnahmen zu vier Themen : Klimaschutz in Polarregionen , Umbau des Energiesystems , antivirale Medikamente als Vorsorge für künftige Pandemien sowie zum One-Health-Konzept . Die Meeresforscherin Antje Boetius ML und der Virologe Thomas Mettenleiter ML wirken daran mit .
Klimaschutz , Energiewende , globale Gesundheit – warum gehören diese Themen auf die G7-Agenda ? Antje Boetius : Alle Stellungnahmen sind direkt mit der großen Aufgabe der Transformation verknüpft . Wir Menschen haben uns in ein erhebliches Ungleichgewicht mit der Natur und allem Leben auf der Erde manövriert . Daran sind auch die G7-Staaten maßgeblich beteiligt . Sie können nun jedoch auch erheblich zu den Lösungen beitragen . Wir müssen ein gutes Verhältnis zur Natur gewinnen – eines , das uns davor bewahrt , ständig neuen Katastrophen und Extremen ausgesetzt zu werden . Thomas Mettenleiter : Gesundheit ist ebenfalls verbindendes Element der Themen . Denn die Klimakrise ist primär auch eine Gesundheitskrise . Mit der Stellungnahme über Zoonosen , Antibiotikaresistenzen und „ One Health “ betonen wir die Zusammenhänge . „ One Health “ befasst sich im Kern damit , dass die Gesundheit von Mensch , Tier und Umwelt untrennbar verbunden ist . Das zeigt sich auch daran , dass etwa 60 Prozent der bekannten Infektionskrankheiten des Menschen ursprünglich von Tieren kommen . Beispiele sind Masern , HIV und Influenza . Bei neu auftretenden Infektionskrankheiten wie Covid-19 sind mehr als 75 Prozent Zoonosen , also zwischen Tier und Mensch übertragbare Infektionen . Nicht zuletzt gehören Einflussfaktoren wie der Klimawandel zum Gedanken von „ One Health “.
Müssen wir künftig verstärkt mit Pandemien rechnen ?
Mettenleiter : Pandemien kommen meist dadurch zustande , dass initial Krankheitserreger von Tieren auf Menschen überspringen . Solche Übertragungsereignisse sind durch vermehrte Kontakte mit Tieren , auch mit Wildtieren , wahrscheinlicher geworden . Das hängt mit der wachsenden Bevölkerung und deren Verlangen nach tierischen Produkten zusammen , mit intensiverer Landnutzung , Abholzung von Wäldern und dem Klimawandel . Eine der Ideen bei „ One Health “ ist es , die riskanten Kontaktstellen zu erkennen und zu reduzieren . Dazu müssen wir die treibenden Faktoren identifizieren und etwa die Rolle von Landnutzungsveränderungen wie Waldrodungen klären .
Frau Boetius , warum sind beim Klimaschutz die Ozeane und Polarregionen so wichtig ?