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2 / 2024 // LEOPOLDINA / NEWSLETTER 9

Biomedizinische Forschung stärken : Leopoldina plädiert für Gesamtstrategie

Gastbeitrag von Thomas Krieg , Leopoldina-Vizepräsident und Leiter der Arbeitsgruppe
In einer Anfang Juni erschienenen Ad-hoc- Stellungnahme zum Medizinforschungsgesetz hat sich die Leopoldina zu einem zentralen gesundheitspolitischen Vorhaben der Bundesregierung geäußert : dem Medizinforschungsgesetz . Das Gesetz wird dabei als erster Schritt begrüßt , um die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation zu verbessern . Allerdings braucht es eine Gesamtstrategie , die die biomedizinische Forschung in Deutschland langfristig stärkt .
VON THOMAS KRIEG ML *

Eine solche Strategie sollte alle politischen Ebenen umfassen und alle relevanten Ressorts einbinden . Ziel muss es sein , die Bedingungen für die Grundlagen- und die transnationale Forschung in Deutschland deutlich zu verbessern . Natürlich besteht weiter Bedarf , die bürokratischen Hürden bei Genehmigungsverfahren für klinische Studien und Zulassungsverfahren von Arzneimitteln oder Medizinprodukten abzubauen . Allerdings sollten dazu auch die Regeln für therapeutische Studien , diagnostische Studien sowie für Studien mit Einsatz von künstlicher Intelligenz oder von Robotik in Diagnostik oder Therapie gehören .

Empfehlung zu Tierversuchsgesetz
Wichtig in der Stellungnahme der Leopoldina ist der Vorschlag , in Deutschland ein eigenes Tierversuchsgesetz zu schaffen . Die derzeitigen Regelungen des deutschen Tierschutzgesetzes sowie die unterschiedliche Auslegung der EU- Verordnungen sorgen in Deutschland für Verunsicherung und bürokratische Hürden und sind den Bedürfnissen der Forschung nicht angemessen .
Deshalb sieht die Stellungnahme vor – nach dem Vorbild Österreichs –, den Schutz von zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tieren in einem
„ Eine Gesamtstrategie sollte alle politischen Ebenen umfassen und alle relevanten Ressorts einbinden . Ziel muss es sein , die Bedingungen für die Grundlagen- und die transnationale Forschung in Deutschland deutlich zu verbessern .“
Thomas Krieg Vizepräsident der Leopoldina
eigenen Tierversuchsgesetz zu verankern . Dieses Gesetz soll dann nicht im Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ( BMEL ), sondern beim Bundesministerium für Bildung und Forschung ( BMBF ) liegen . So könnten Gesetze zum Tierschutz in der Landwirtschaft unabhängig vom Tierschutz in der Forschung umgesetzt werden .
Empfehlung zu klinischen Studien
Foto : Markus Scholz | Leopoldina
Weiterhin spricht sich die Leopoldina in ihrer Stellungnahme dafür aus , alle klinischen Studien zu registrieren und deren Ergebnisse auch zu veröffentlichen . Dabei ist es wichtig , sicherzustellen , dass dadurch keine weiteren bürokratischen Belastungen für die Forscherinnen und Forscher entstehen . Auch beim Datenschutz besteht Handlungsbedarf : Die Sekundärnutzung von Patientendaten zu Forschungszwecken sollte weiter ausgebaut werden .
Die geplante Schaffung einer Spezialisierten Ethik-Kommission auf Bundesebene für besondere Verfahren bei klinischen Arzneimittelprüfungen wur-
de in der Stellungnahme ausgewogen in ihren Vor- und Nachteilen dargestellt . Den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern wird auf dieser Grundlage empfohlen , die Einrichtung einer Ethik- Kommission auf Bundesebene erneut zu prüfen . Es ist die Aufgabe der Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften , ausgewogene , wissenschaftsbasierte Analysen für die Öffentlichkeit und für politische Entscheidungsträger zu erstellen und somit besser informierte Entscheidungen zu ermöglichen .
Die Ad-hoc-Stellungnahme wurde von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe von Expertinnen und Experten erarbeitet .
* Thomas Krieg ML ist seit 1997 Mitglied und seit 2019 Vizepräsident der Leopoldina . Er hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe geleitet , die die Ad-hoc-Stellungnahme erarbeitet hat .
Ad-hoc-Stellungnahme „ Vom Medizinforschungsgesetz zur Gesamtstrategie “